Am 18./ 19. Mai soll der Sächsische Landtag nun endlich den Doppelhaushalt 2021/22 verabschieden. Eine Überbrückung sei auf Grund der Corona-Pandemie nötig geworden, meint die Staatsregierung. Die Linksfraktion hat die Haushaltsentwürfe analysiert und deutlich gemacht, wo auch und vor allem bei den Finanzen Stellschrauben für eine humanitäre Asyl-und Migrationspolitik gedreht werden können.
- Der Knast
So können die 140.000 Euro pro Jahr an Zuweisungen an andere Länder im Rahmen der Abschiebehaft gestrichen werden, wenn die Ausländerbehörden keine Haftanträge mehr stellen. Jedoch: der Abschiebeknast bleibt. Einen entsprechenden Antrag, die finanziellen Mittel hierfür zu streichen und das Abschiebungshaftvollzugsgesetz aufzuheben , hat die Koalition abgelehnt.
- Die Lager
Immerhin: Die zunächst fehlenden Kosten für die Asylverfahrensberatung in den Aufnahmeeinrichtungen wurden wieder einkalkuliert. Um Rechtssicherheit für Geflüchtete zu schaffen, muss sie wieder von einem unabhängigen Wohlfahrtsverband durchgeführt werden, auch das soll gewährleistet werden. Hier hat der Druck von demokratischer Opposition und Zivilgesellschaft produktiv gewirkt. Sachsen war das einzige Bundesland ohne eine solche Beratungsstruktur.
Auch für ein neues Gewaltschutzkonzept werden Mittel bereitgestellt. Eine externe Expert*innenrunde soll dies erarbeiten. Eine Kriminolog*in, eine Psycholog*in, eine Sozialarbeiter*in, die Polizei und die Heimbetreiber sollen mitwirken. Eine ausgeglichenerer Kreis wäre hier wünschenswert gewesen, liegt das Gewicht doch klar bei Akteur*innen, die Expertise bei der Intervention haben mögen, jedoch nicht bei der Gewaltprävention. Progressive Papiere, Konzepte und Mindeststandards sind bekannt, es bleibt zu hoffen, dass sie mit einbezogen werden. Übrigens, auch wenn es nichts mit dem Haushalt zu tun hat: ein Gewaltschutzkonzept bringt nichts, wenn die Hausordnung restriktiv ist. Das ist in Sachsen nach wie vor der Fall. Beides muss überarbeitet werden!
Weiterhin wird es künftig in jeder Aufnahmeeinrichtung einen Standort geben, um besonders Schutzbedürftige zu identifizieren. Das Clearingverfahren zielt darauf ab, unter anderen traumatisierte und psychisch erkrankte Menschen, LGBTIQA*-Personen und weitere, in der EU-Aufnahmerichtlinie definierte Gruppen zu erkennen. Ein genauer Blick bleibt nötig, denn der Identifizierung schließt sich die Versorgung an. Angesichts immer weiter verlängerter Aufenthaltszeiten in den Lagern ist hier weiterhin Skepsis angebracht.
- Der Flughafen
Was weiterhin kommt, ist die Abschiebebeobachtung am Flughafen Leipzig/ Halle. Etwa 90.000 Euro werden 2021 dafür bereitgestellt. Ein minimaler Erfolg, noch nicht einmal im Kampf gegen Abschiebungen, sondern für mehr Transparenz beim Abschiebevorgang, der über Jahre hinweg im Parlament und außerhalb erkämpft werden musste.
- Die Aufnahme
Die Koalition will 150 Menschen aus Krisenregionen aufnehmen, verfolgte Christ*inenn oder Frauen* und Kinder aus Nordsyrien oder dem Nordirak sollen in Abstimmung mit dem Bund und dem UNHCR kommen dürfen. Das wurde bereits im Koalitionsvertrag vereinbart, nun werden die finanziellen Mittel bereitgestellt. Das Vorhaben bleibt eine humanitäre Geste. Mehr nicht.
- Die Förderung
Um die Streichung von erfolgreichen Integrationsprojekten in Zukunft zu verhindern, will die Linksfraktion die Förderrichtlinie in ihrem Teil 1 auf 15 Millionen Euro erhöhen. Die Koalition hat hier zwar nachgebessert, in dem sie die Psychosozialen Zentren und die Förderung des Dachverbands Sächsischer Migrantenorganisationen aus dem Budget herausgelöst hat, dies wird aber nicht reichen. So bleiben 10,5 Millionen statt der geforderten 15 Millionen für die Projektförderung, unter die nach wie vor wichtige, gleichwohl finanzstarke Angebote wie die flächendeckende Asylberatung in den Kommunen fallen.
Außerdem fordert die Linksfraktion wiederholt, dass ein landesweiter Betreuungsschlüssel von 1:80 etabliert wird, wie ihn die Liga der Wohlfahrtsverbände und der Sächsische Flüchtlingsrat seit Langem fordern. Dafür hätte das Budget der Flüchtlingssozialarbeit erhöht werden müssen. Der Betreuungsschlüssel ist in den Landkreisen und Kreisfreien Städten sehr verschieden und reicht von 1 Fachkraft auf 50 Personen in der Stadt Leipzig bis hin zu 1: 200 in Mittelsachsen (Siehe Antwort auf die Kleine Anfrage Drs 7/5123 https://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=5123&dok_art=Drs&leg_per=7&pos_dok=1&dok_id=undefined)
- Ein Resümee
Die Koalition hakt mit diesem Doppelhaushalt zahlreiche asylpolitische Vorhaben ab, auf die sich im Koalitionsvertrag geeinigt wurde. Das wird an einigen Stellen auch zu Verbesserungen für Schutzsuchende führen. Systematisch - also für alle, in umfassender Weise - ist jedoch keine Wende zu erwarten. So bleibt das Fazit zu ziehen, was bereits über den Koalitionsvertrag gezogen werden musste: eine asylpolitische Kurskorrektur ist das nicht. Ein klein machendes, ein erniedrigendes und demütigendes System wird humanitär angestrichen. Eine wirkliche Korrektur wäre es beispielsweise gewesen, die Kommunen bei der dezentralen Unterbringung zu unterstützen, anstatt Millionen für den Betrieb der Aufnahmelager aufzuwenden.
Ärgerlich zudem - auch dies war bereits beim Koalitionsvertrag zu kritisieren - das viele Vorhaben als Konzept daherkommen. Eine umfassende und nachhaltige Veränderung muss legislativ, zum Beispiel über ein neues Flüchtlingsaufnahmegesetz erfolgen. Ein solches hatte die Linksfraktion bereits in der letzten Legislatur vorgelegt. So bleibt eine Beteiligung des Parlaments nur über den Weg des Haushalts möglich. Die Umsetzung obliegt allein den Ministerien - viel zu häufig ist das das Innenministerium.
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