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Anitra Landtag Watch (24): März 2022 - Geflohen wird an vielen Stellen

Ein weiterer Krieg, diesmal direkt in Europa, das heißt auch, dass eine neue Fluchtbewegung eingesetzt hat. Darum geht es direkt am Anfang dieses Newsletters. Gleichwohl: #dontforgetAfghanistan!

Denn im Schatten der medialen Berichterstattung über die russischen Angriffe auf ukrainische Städte haben die Taliban systematisch die Häuser von Menschen in Afghanistan durchsucht. Sie fahndeten nach ehemaligen Ortskräften und weiteren, ehemaligen Mitarbeiter:innen von staatlichen und nichtsstaatlichen Organisationen, die bis August 2021 in Afghanistan tätig waren.
Die Fluchtroute über Belarus/ Polen ist derweil weiter aktiv. Auch hier muss von neuen Entwicklungen berichtet werden, nicht zuletzt auf Grund des Krieges.

Ganz konkret in Sachsen: da verabschiedete die Staatsregierung einen "Leitfaden Rückführungspraxis" und teilte einer Regelung, die schon jetzt Menschen schützen soll, die von den geplanten Regelungen der Ampel-Koalition auf Bundesebene profitieren sollen, eine Absage.

All das im Folgenden.

Flucht aus der Ukraine.

Am 03. März 2022 beschlossen die Innenminister:innen der Europäischen Union zum ersten Mal in der Geschichte des Staatenbündnisses, die sogenannte "Massenzustromrichtlinie" auszulösen. Damit wird ukrainischen Staatsbürger:innen wie auch Menschen, die sich im ukrainischen Asylverfahren befinden oder einen Schutzstatus nach Genfer Flüchtlingskonvention von der Ukraine erhalten haben, unbürokratisch, schnell und EU-weit der Aufenthalt erlaubt. Die Erlaubnis erstreckt sich zunächst auf ein Jahr und kann auf bis zu drei Jahre verlängert werden. (Hier der Text des EU-Beschlusses: http://www.europeanmigrationlaw.eu/en/articles/news/council-o-the-eu-implementing-decision-temporary-protection-ukraine.html)

Das ist begrüßenswert. Jedoch nur teilweise. Denn ein nicht geringer Teil von Menschen ist von der Aufenthaltsgewährung ausgeschlossen und das sind oftmals Menschen, die in der Ukraine studieren und aus Kamerun, Nigeria und anderen Staaten kommen. Angesichts dessen, dass People of Color an den Grenzübergängen raus aus der Ukraine nach Polen oder in die Slowakei bereits diskriminiert wurden, dass Hetzjagden in einer polnischen Stadt verzeichnet werden mussten und es auch in Deutschland noch keine angemessene aufenthaltsrechtliche Perspektive für diese Menschen gibt, lässt sich nur von einem Skandal sprechen. Denn der Beschluss buchstabiert im Grunde jahrhundertealten, historischen Rassismus auch im Jahr 2022 wieder aus. Jule hat sich dazu in einer PM geäußert https://jule.linxxnet.de/historischer-beschluss-des-europaeischen-rats-schliesst-bestimmte-menschen-aus-bund-muss-handeln-04-03-2022/. Abschließend benennt sie dort eine Selbstverständlichkeit: "Der Umgang mit den ukrainischen Geflüchteten muss Maßstab mit dem Umgang mit Flüchtenden auch aus anderen Kriegsgebieten, aus Syrien, Afghanistan, dem Jemen oder Somalia sein. Diese Kriege beziehungsweise Terrorregime währen schon so lange. Nur weil sie weiter entfernt sind, ist das Leid, was dadurch verursacht wird, nicht geringer.

Trotz dieser juristisch hohen Hürden gilt es nun, der Fluchtbewegung angemessen zu begegnen, auch in Sachsen. Die Fraktion DIE LINKE hat  deshalb einen Antrag im Landtag eingereicht [https://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=9316&dok_art=Drs&leg_per=7&pos_dok=0&dok_id=undefined]. Im Sinne dessen, dass hier nun Maßstäbe für künftige Fluchtbewegungen gesetzt werden müssen, werden darin menschenwürdiger Wohnraum, ein Erste-Hilfe-Fonds für unterstützende Organisationen, finanzielle Entlastungen für die Kommunen, umfassende Sprachmittlungsangebote für die ukrainische Sprache und mehr eingefordert.

Das linXXnet hat derweil auf unserer Website ein Tool online gestellt, auf dem ihr freien Wohnraum inserieren könnt. Menschen, die geflohen sind und einen ersten Zufluchtsort suchen, können dann Kontakt aufnehmen. Angesichts dessen, dass es nach wie vor Personengruppen sind, die aus der Ukraine geflohen sind aber noch keine Perspektive auf Schutz haben, bleibt das umso wichtiger. https://www.linxxnet.de/ukraine

Und auch hier gilt: was für Fluchtbewegungen aus der Ukraine möglich ist, ist auch sonst möglich. Wo Bürger:innen-Asyl oder Soli-Asyl sonst oft im Verborgenen stattfinden, wird es hier ganz offen und unter allgemeinen Beifall beworben. Auch diesen Maßstab lassen wir uns nicht nehmen.

Rechtliche Informationen für aus der Ukraine Fliehende verschiedener Staatsbürgerschaften findet ihr ebenso auf unserer Website [https://jule.linxxnet.de/informationen-zum-aufenthalt-fuer-menschen-die-aus-der-ukraine-fliehen-und-politische-forderungen-02-03-2022/]

Flucht aus Afghanistan.

Ein sächsisches Aufnahmeprogramm für Afghanistan hatte
die Linksfraktion direkt nach der Machtergreifung der Taliban
gefordert, es wurde selbstverständlich abgelehnt


[https://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=7475&dok_art=Drs&leg_per=7&pos_dok=0&dok_id=undefined]. Knappe sieben Monate nach der Machtergreifung der Taliban bangen nach wie vor viele Menschen um Leib und Leben. Oben führten wir es schon aus: im Zuge des europäischen Krieges führten die Taliban Hausdurchsuchungen durch und fahndeten nach früheren Ortskräften, NGO-Mitarbeiter:innen und weiteren. Der EU-Botschafter in Afghanistan strich zudem die Brutalität gegen Frauen und die Verhaftungen derer, die für ihre Rechte eintreten, heraus [https://twitter.com/EUAmbAFG/status/1497918053690089477].

Die Vereinten Nationen gehen von mindestens einhundert ehemaligen Regierungsmitarbeiter:innen wie Ortskräften internationaler Truppen aus, die inzwischen ermordet sein sollen. PRO ASYL, Luftbrücke Kabul und das Patenschaftsnetzwerk Afghanische Ortskräfte haben daher Mitte Februar einen Zehn-Punkte-Plan veröffentlicht. Evakuierungsflüge direkt wieder nach Afghanistan mit Visa on Arrival, Abbau bürokratischer Hindernisse in den Botschaften der Nachbarländer Afghanistans, wohin viele Menschen geflüchtete sind und die erneute Öffnung der Menschenrechtsliste - die wurde nämlich schon Ende August geschlossen - sind nur einige Forderungen. Auch, dass Aufnahmeprogramme der Bundesländer umgesetzt werden, wird dort unterstrichen [https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/Positionspapier-Afghanistan_Feb.-2022_PA.pdf?vgo_ee=F5SFoHV9fYaWYQD3EzknA5Mq9%2FijNC4HvKea94OQk18%3D].

Flucht über Belarus und Polen.

Gerade in Polen hat sich der rassistische Doppelstandard Europas in den vergangenen Monaten offenbart. Erst wurden Schutzsuchende, die über Belarus versuchten in die EU zu kommen, mit Gewalt abgedrängt und ihr Leben im eiskalten Urwald aufs Spiel gesetzt, dann wurde die Aufnahme ukrainischer Schutzsuchender nahezu zur patriotischen Pflicht erklärt. Nichtsdestotrotz: die Menschen fliehen weiter über diese Route. Während in den Wintermonaten die Zahl der ankommenden Menschen sank, berichten uns die Anwohner:innen des Urwalds und Aktivist:innen aus Polen mit denen wir im Rahmen der #nobordersdelegation vom Januar sprachen nun, dass ihre Zahl wieder steigt. Hier ist also weiterhin support nötig! Informiert euch auf einschlägigen Kanälen wie denen von Grupa Granica [https://twitter.com/GrupaGranica], Fundacja Ocalienie [https://twitter.com/FundOcalenie] oder auch von einem in Warschau ansässigen, immer sehr gut informierten und auf Deutsch berichtenden Twitter-Kanal namens kapturak [https://twitter.com/kapturak]. Auch für die Menschen an dieser Außengrenze hat die Linksfraktion ein Aufnahmeprogramm beantragt, die Entscheidung des Landtags steht aus [https://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=9307&dok_art=Drs&leg_per=7&pos_dok=0&dok_id=undefined].

Flucht vor Abschiebungen.

Die sächsische Koalition hat einen "Leitfaden Rückführungspraxis" beschlossen. Nach einigem Gezerre und viel medialer Aufregung bleibt festzuhalten: Familientrennungen sollen nun wirklich nicht mehr stattfinden, Nachtabschiebungen bleiben möglich. Die finale Version ist immer noch nicht veröffentlicht, auch uns liegen bisher nur Versatzstücke vor. Der Tenor der Staatsregierung wie der Regierungskoalition ging jedoch in dieselbe Richtung. Dass das als großer Durchbruch gefeiert wurde, mutet befremdlich an. Schließlich setzt der Leitfaden erst dann an, wenn alles zu spät ist und ein Bleiberecht in diesem Akutmoment unerreichbar, die Aussetzung der Abschiebung nahezu unmöglich ist.

Was helfen würde, ist die Bleiberechtsoffensive, die die Linksfraktion vorstellt und von der schon mehrmals die Rede in diesem Newsletter war [https://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=7155&dok_art=Drs&leg_per=7&pos_dok=1&dok_id=undefined]. Neue Chancen tun sich derweil auf, denn die Bundesregierung plant darüber hinaus maßgebliche Veränderungen im Aufenthaltsrecht. So soll es den eben sogenannten "Chancen-Aufenthalt" geben. Für Aufenthaltserlaubnisse wegen langjährigem Aufenthalt und Integration sollen die Erteilungsvoraussetzungen herabgesetzt werden, vor allem was die Voraufenthaltszeit angeht.

An so genannte Vorgriffsregelungen in diesem Bereich denkt derweil die Sächsische Regierung nicht. Das ergab eine Anfrage von Jule: https://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=8958&dok_art=Drs&leg_per=7&pos_dok=1&dok_id=undefined

Wir fordern die Staatsregierung auf, von diesen Vorgriffsregelungen in Bezug auf die angekündigte Änderung des Aufenthaltsrechtes zu erlassen. Dann hätten zahlreiche Menschen, etwa gut integrierte Jugendliche, bessere Chancen auf ein dauerhaftes Bleiberecht. Zudem soll es laut Ampel-Koalitionsvertrag für Menschen, die am 1. Januar 2022 seit fünf Jahren in Deutschland lebten, unter niedrigschwelligen Voraussetzungen ein Aufenthaltsrecht auf Probe geben. Länder wie Rheinland-Pfalz oder Thüringen haben ihre Ausländerbehörden mit einem Schreiben nahegelegt, Abschiebungen des begünstigten Personenkreises im Hinblick auf das anstehende Gesetzgebungsverfahren auszusetzen. Sachsen muss diesem Beispiel folgen!

 

Zum Schluss dieses Newsletters wünschen wir einen langen Atem und senden Respekt für das was, ihr und sie so unbürokratisch und mit viel Empathie auf den Weg bringt!

linXXnet - Brandstraße 15 - 04277 Leipzig - www.linxxnet.de

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