Es geht emotional her in Sachsen, auf den Straßen mit unzähligen Demos wie im Landtag und im Regierungsviertel in Dresden. Denn das, was in den letzten Wochen geschehen ist, ist kaum fassbar. Eine Übersicht zu allen Fällen der Georgien-Abschiebungen vom 26. Mai und 10. Juni 2021, spiegelt zunächst die quantitative Domension wieder. Zwei Abschiebungen in Zahlen. Insgesamt wurden
66 Personen
darunter 11 Familien
darunter 34 Kinder
darunter zehn erkrankte Personen
nach Georgien abgeschoben.
Eine Familie aus Meißen wurde am 26. Mai getrennt, der Vater blieb in Deutschland. Er wollte aus dem Fenster springen, um die Zukunft seiner Kinder zu retten. Selbst dann wurde die Abschiebung nicht abgebrochen. Die Mutter und die fünf Kinder sind auf dem Weg nach Georgien, während der Vater zusammengeflickt und in Abschiebehaft gesteckt wird. Er wird am 10. Juni abgeschoben.
Was das in Sachsen für Spuren hinterlässt, zeigt ein Interview mit Brigitte Hofmann, soziale Oma der Kinder bei Coloradio Dresden. In nun begonnen Sommerferien wollte sie Ausflüge mit den Kindern unternehmen. Stattdessen hat sie sie nun von der Schule abgemeldet [https://www.freie-radios.net/109994]. In einer Pressemitteilung forderte Jule, der Innenminister solle aufhören, Familien zu terrorisieren [https://jule.linxxnet.de/abschiebungen-aus-sachsen-brechen-alle-daemme-innenminister-terrorisiert-familien-05-07-2021/].
In einer Pressekonferenz am 27. Juli 2021 arbeitete die Fraktion DIE LINKE gemeinsam mit der Grünen Jugend Sachsen, dem Sächsischen Flüchtlingsrat sowie Hasibullah Ahmadzei, Filialleiter eines Modegeschäfts in der Prager Straße in Dresden und von Abschiebung bedroht, wie mit Familie Imerlishvili auf, was geschehen war. Familie Imerlishvili wurde am 10. Juni aus Pirna wurde am 10. Juni abgeschoben. Ihr Fall und das dort bestehende Fünkchen Hoffnung auf Rückkehr gaben Anlass für die Kampagne https://bringbackourneighbours.de/. Unter ihrem Dach finden sich Betroffene und Unterstützer*innen ein, um ein Ende der grausamen Abschiebepraxis zu fordern. Der Druck wirkt, die Lage in der Koalition ist volatil. Ein Innenminister, der nach Willkür abschiebt, nicht nach Recht, so kommentierte es Charlotte Henke, Landessprecherin der Grünen Jugend Sachsen auf der Konferenz.
Für Jule stand fest: die Abschiebungen müssen schon vorher gestoppt werden. Es geht um ein Bleiberecht, um es gar nicht erst zu Abschiebungen kommen zu lassen. Abschiebungen zu verbessern sei kein zulässiger Ansatz. Ein Bleiberechts-Antrag der LINKEN wurde nun eingereicht und vorgestellt [https://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=7155&dok_art=Drs&leg_per=7&pos_dok=0&dok_id=undefined]. Ausländerbehörden sollen endlich aktiv alle möglichen Aufenthaltserlaubnisse prüfen, sie sollen die Menschen über die Härtefallkommission informieren und es unterlassen, eine Abschiebung vorzubereiten und durchzuführen, wenn Anträge laufen. Das ist ganz einfach.
Die Notwendigkeit für eine umfassende, alle vollziehbar ausreisepflichtigen Menschen - gleich ob alleinstehend oder in der Familie - besteht. Grafiken des linXXnet-Kollektivs zeigen: die Notwendigkeit, die Legalisierung zu beschleunigen, besteht. Von den 14.711 ausreisepflichtige Personen in Sachsen, von denen 11.424 geduldet sind, wurden in 2020 nur die wenigsten legalisiert. In neun Landkreisen waren es unter 5 Prozent, in vier Landkreisen waren es unter 10 Prozent, in der Stadt Leipzig 20 Prozent der vollziehbar ausreisepflichtigen Menschen, die 2020 legalisiert wurden. Ungeachtet der starken Schwankungen - das sind überall zu wenig. Alle Grafiken auch zur Verteilung der vollziehbar ausreisepflichtigen Menschen auf die Kommunen, der Aufenthaltsdauer und der Form der Legalisierungen hier. [https://jule.linxxnet.de/wp-content/uploads/2021/07/Pressemappenzettel-fuer-Journalist-innen_Version-II.pdf]
Hasibullah Ahmadzei verdeutlichte, wie er Deutsch lernte, begann zu arbeiten, alles tat, was unter dem Label "Integration" läuft und dann ein erfolgreiches Härtefallverfahren durchlief - fast erfolgreich. Denn trotz einstimmigen Votums der Härtefallkommission, so berichtete er, lehnte Innenminister Roland Wöller seinen Fall ab. Heute leitet er ein Modegeschäft auf der Prager Straße in Dresden, aber fürchtet immer noch die Abschiebung. Lediglich ein erfolgreicher Eilantrag schützt ihn derzeit.
Wöllers Vorgehen in diesem Fall spiegelt sich auch bei seinen Ausländerbehörden wider. Deren Vorgehen illustrierte Jörg Eichler vom Sächsischen Flüchtlingsrat. Exemplarisch am Fall der Familie Imerlishvili zeigte er, wie die Ausländerbehörde Pirna und die Zentrale Ausländerbehörde Sachsens die Familie und die Rechtsanwältin getäuscht hatten. Nach neun Jahren Aufenthalt in Deutschland, fünf Kinder hier geboren, wird Familie Imerlishvili abgeschoben. Auch ein eiliges Votum der Härtefallkommission hindert den Flieger nicht mehr am Abheben.
Familie Imerlishvili indes ist in Georgien. Im Wartebereich. Tochter Lika verdeutlichte in der Pressekonferenz, dass sie Georgien nicht kennt, die Sprache nicht spricht. Dass sie nicht wieder in die erste Klasse gehen möchte. Ihre Eltern Ilona und Ilia gaben dem "So Nicht Bestellt - Podcast - dem kritischen Podcast über Abschiebungen" ein Interview und schildern dort ausführlich ihre Perspektive zum Nachhören. Auf dem Podcast-Blog [https://so-nicht-bestellt.podigee.io/], Spotify [https://open.spotify.com/episode/0KZSc5ns39jpDT4ggcocd8?si=b0f65d4c22ca446f] und allen anderen Podcast-Apps. Die Chance, sie zurückzuholen besteht. Die Ausländerbehörde Pirna kann einen Antrag auf Erlaubnis, die Bundesrepublik zu betreten, um das einmal begonnene Härtefallverfahren durchführen zu können, zustimmen. Die Entscheidung steht aus. |