Abbestellen!
Im Browser ansehen!
Newsletter bestellen!
Antira Landtag Watch (22): August 2021
Intro:

Es sind und bleiben die Abschiebungen, die die sächsische Politik und Zivilgesellschaft beschäftigen. Auch im heutigen Newsletter müssen wir wieder darauf Bezug nehmen.

Beginnen werden wir aber mit einem Blick an die europäischen Außengrenzen und wie sie radikal überwunden werden können. Denn sie müssen! Genau wie die vielen Grundrechtsverletzungen in den sächsischen Sammel-Unterkünften aufhören müssen.

Frontex - Verurteilt und überwunden.

An Europas Außengrenzen herrscht Frontex. Und wurde dafür am 01. Juli 2021 verurteilt. Denn was diese Herrschaft bedeutet, was ihre rechtlichen Grundlagen sind oder eben gerade nicht, was nun geschehen muss - das musste im Frontex-Tribunal der Fraktion DIE LINKE im Europaparlament verhandelt. Eindrücklich die Beweisaufnahme mit Sea Watch [Minute 42]. Das brutale Vorgehen der libyschen Küstenwache wird anhand von Videoaufnahmen belegt. Der kroatischen Polizei - nachgewiesenermaßen für PushBacks an der bosnischen Grenze verantwortlich - wird technische Ausrüstung geliefert. Was damit möglich ist, wird von Milena Sajovic vom Border Violence Network vorgeführt [Minute 50]. Frontex arbeitet mit dubiosen Partnern zusammen, ist selber in PushBacks verstrickt - auf schuldig befunden auf Grund von Verbrechen wegen der Menschlichkeit. Anklage, Beweis und Urteil hier [https://www.youtube.com/watch?v=qAelIVwd8ls].

Nur: das Urteil zeigt keine Wirkung. Deswegen gibt es Menschen, die die Grenzen überwinden und jene, die sie dabei unterstützen. Eine nun auf la-presse.org veröffentlichte Dokumenation einer Fluchthilfe-Aktion und über die Ankunft von vier Menschen in diesem Jahr in Leipzig - aus der Hölle Bosniens entkommen - wirft nun die Frage auf: Ist Fluchthilfe eine legitime Form des Protests? Deutsch [https://la-presse.org/fluchthilfe/] English https://la-presse.org/en/fluchthilfe/]

Eine der Personen, die bei ihrer weiteren Flucht unterstützt wurden, hatte selber lang mit Schlepper*innen kooperiert und versuchte anderen mit humanitären Grundsätzen über die Grenze von Bosnien nach Kroatien zu unterstützen. Im Interview mit la-presse.org sagt er:

"In Bosnien habe ich vielen Menschen geholfen. Viele von ihnen waren hilfsbedürftig, gerade weil ihnen von gierigen Schmugglern Schreckengsgeschichten über die Gefahren an den Grenzen und auf der Route erzählt worden waren. Schmuggler zeigen den Migranten nicht immer sichere Route. Sie hoffen fast immer, dass diese oder jene Route nicht sicher war. Und mit dieser Behauptung versuchen sie die Migranten auszutricksen, damit sie ihnen mehr Geld geben und im Gegenzug eine sichere Route versprechen. Sie täuschen sie, damit sie höhere Beträge fordern können. Deshalb habe ich viel mit meinen eigenen Kenntnissen auf den Routen helfen können."

Er führt weiter aus, wie er unter Druck gesetzt wurde, bedroht wurde, Menschen zu schlagen und zu peitschen. Er hat 32 PushBacks erlebt, bis er sich entschied, bei den Fluchthelfer*innen mitzufahren. Auch in den anderen Interviews mit den anderen drei Menschen [https://www.youtube.com/watch?v=mxyMZMMRNs8&t=1s], die in Leipzig ankamen wird klar, dass es nur eine Antwort auf die von der Dokumentation aufgeworfenen Frage geben kann. Eine der Personen, als Frau gelesen, berichtet über die sexualisierte Gewalt, die Menschen dort erfahren müssen, eine weitere Person über das iranische Regime, dass gerade Frauen* die Freiheit zur Selbstbestimmung nimmt.

Auch wegen all dieser Berichte soll es nun weitergehen. Mit der Fluchthilfe. Denn sich organisieren und die Grenzen zu überwinden, Frontex direkt zu bekämpfen - das geht sogar in Pandemiezeiten. Ein How2 gibt Tipps für eigene Aktionen: [https://overcomeborders.noblogs.org/]. Lest es euch durch, denn wie einer der driver in einer Audioaufnahme aus der Doku sagt:

"Auch wenn es für uns unbekanntes Terrain ist und erst einmal weit weg scheint, ist es erst einmal für uns möglich zu intervenieren, möglich zu agieren, und vor allem diese Festung zu stören, diesen PushBack-Apparat zu stören. Das finde ich unglaublich wichtig und bestärkend. Auch ein Signal in die Szene zu senden, dass vieles möglich ist, dass der letzte Kampf noch nicht ausgefochten ist, dass wir weiterhin Hebel haben, an die wir ansetzen können, dass wir weiterhin für ne progressive Veränderung streben können."

Also, bildet Banden! :)


Hausordnung Regel Nummer 1: Grundrechtsverstöße auf der Tagesordnung

Das linXXnet hat mit allen 13 Stadtrats- und Kreisratsfraktionen in Sachsen kooperiert und die Hausordnungen zu den Gemeinschaftsunterkünften abgefragt. Fakt ist: gut ist gar nichts. In einer "Ampelanalyse" konnte kein einziges Mal die Farbe "Grün" vergeben werden. Grundrechtseingriffe in den Lagern sind an der Tagesordnung, Grund ist die Hausordnung. Auf einer nun veröffentlichten, umfangreichen Info-Seite [https://www.linxxnet.de/neues/2021/07/hausordnungen/] wird zum bisherigen Kenntnisstand der Grundrechtssituation in den kommunalen Gemeinschaftsunterkünften wie den Aufnahmeeinrichtungen des Landes berichtet.

 

NGOs und das linXXnet stellen nun Wissen und anwaltliche Begleitung zur Verfügung, um die zu verklagen, die für die Grundrechtseingriffe verantwortlich sind. Dafür müssen Menschen aus den Lagern selber klagen. Dafür haben das Antidiskriminierungsbüro Sachsen, Leipziger Initiativkreis: Menschen.Würdig und der Sächsische Flüchtlingsrat Handlungsempfehlungen veröffentlicht. [https://www.menschen-wuerdig.org/wp-content/uploads/2021/05/Handlungsempfehlung-bei-Grundrechtsverstoessen-durch-Hausordnungen.pdf] Unter anderem unter camptours[at]linxx.net und pr[at]sfrev.de können noch mehr Infos gegeben werden.

Auch veröffentlicht haben die drei Akteur*innen ein Rechtsgutachten zu den Hausordnungen. Der Jurist Martin Wiesmann kommt darin zu dem Schluss: „Solche Grundrechtseingriffe sind nur in Justizvollzugsanstalten haltbar. Dort geschehen sie auf Basis eines parlamentarisch verabschiedeten Gesetzes. Hausordnungen können intensive Eingriffe nicht rechtfertigen. Die Sanktionsmöglichkeiten sind verfassungsrechtlich hinten und vorne nicht haltbar. So, wie die Hausordnung ausgestaltet ist, wird regelmäßig gegen Art. 13 Grundgesetz verstoßen – dem Schutz der Wohnung.“

Also - jetzt aktiv werden, mindestens informiert bleiben! Das geht unter anderem über die #CampTours, die Mohsen und Mark vom linXXnet durchführen. Interviews und Einblicke, bisher nach Dölzig, bald kommend nach Schneeberg, gibt es bisher in drei Folgen auf dem YouTube-Kanal des linXXnet [https://www.youtube.com/c/linXXnetLeipzig/videos].

Eine Pressekonferenz zum Bleiberecht und was zuvor geschah.

Es geht emotional her in Sachsen, auf den Straßen mit unzähligen Demos wie im Landtag und im Regierungsviertel in Dresden. Denn das, was in den letzten Wochen geschehen ist, ist kaum fassbar. Eine Übersicht zu allen Fällen der Georgien-Abschiebungen vom 26. Mai und 10. Juni 2021, spiegelt zunächst die quantitative Domension wieder. Zwei Abschiebungen in Zahlen. Insgesamt wurden

66 Personen

darunter 11 Familien

darunter 34 Kinder

darunter zehn erkrankte Personen

nach Georgien abgeschoben.

Eine Familie aus Meißen wurde am 26. Mai getrennt, der Vater blieb in Deutschland. Er wollte aus dem Fenster springen, um die Zukunft seiner Kinder zu retten. Selbst dann wurde die Abschiebung nicht abgebrochen. Die Mutter und die fünf Kinder sind auf dem Weg nach Georgien, während der Vater zusammengeflickt und in Abschiebehaft gesteckt wird. Er wird am 10. Juni abgeschoben.

Was das in Sachsen für Spuren hinterlässt, zeigt ein Interview mit Brigitte Hofmann, soziale Oma der Kinder bei Coloradio Dresden. In nun begonnen Sommerferien wollte sie Ausflüge mit den Kindern unternehmen. Stattdessen hat sie sie nun von der Schule abgemeldet [https://www.freie-radios.net/109994]. In einer Pressemitteilung forderte Jule, der Innenminister solle aufhören, Familien zu terrorisieren [https://jule.linxxnet.de/abschiebungen-aus-sachsen-brechen-alle-daemme-innenminister-terrorisiert-familien-05-07-2021/].

In einer Pressekonferenz am 27. Juli 2021 arbeitete die Fraktion DIE LINKE gemeinsam mit der Grünen Jugend Sachsen, dem Sächsischen Flüchtlingsrat sowie Hasibullah Ahmadzei, Filialleiter eines Modegeschäfts in der Prager Straße in Dresden und von Abschiebung bedroht, wie mit Familie Imerlishvili auf, was geschehen war. Familie Imerlishvili wurde am 10. Juni aus Pirna wurde am 10. Juni abgeschoben. Ihr Fall und das dort bestehende Fünkchen Hoffnung auf Rückkehr gaben Anlass für die Kampagne https://bringbackourneighbours.de/. Unter ihrem Dach finden sich Betroffene und Unterstützer*innen ein, um ein Ende der grausamen Abschiebepraxis zu fordern. Der Druck wirkt, die Lage in der Koalition ist volatil. Ein Innenminister, der nach Willkür abschiebt, nicht nach Recht, so kommentierte es Charlotte Henke, Landessprecherin der Grünen Jugend Sachsen auf der Konferenz.

Für Jule stand fest: die Abschiebungen müssen schon vorher gestoppt werden. Es geht um ein Bleiberecht, um es gar nicht erst zu Abschiebungen kommen zu lassen. Abschiebungen zu verbessern sei kein zulässiger Ansatz. Ein Bleiberechts-Antrag der LINKEN wurde nun eingereicht und vorgestellt [https://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=7155&dok_art=Drs&leg_per=7&pos_dok=0&dok_id=undefined]. Ausländerbehörden sollen endlich aktiv alle möglichen Aufenthaltserlaubnisse prüfen, sie sollen die Menschen über die Härtefallkommission informieren und es unterlassen, eine Abschiebung vorzubereiten und durchzuführen, wenn Anträge laufen. Das ist ganz einfach.

Die Notwendigkeit für eine umfassende, alle vollziehbar ausreisepflichtigen Menschen - gleich ob alleinstehend oder in der Familie - besteht. Grafiken des linXXnet-Kollektivs zeigen: die Notwendigkeit, die Legalisierung zu beschleunigen, besteht. Von den 14.711 ausreisepflichtige Personen in Sachsen, von denen 11.424 geduldet sind, wurden in 2020 nur die wenigsten legalisiert. In neun Landkreisen waren es unter 5 Prozent, in vier Landkreisen waren es unter 10 Prozent, in der Stadt Leipzig 20 Prozent der vollziehbar ausreisepflichtigen Menschen, die 2020 legalisiert wurden. Ungeachtet der starken Schwankungen - das sind überall zu wenig. Alle Grafiken auch zur Verteilung der vollziehbar ausreisepflichtigen Menschen auf die Kommunen, der Aufenthaltsdauer und der Form der Legalisierungen hier. [https://jule.linxxnet.de/wp-content/uploads/2021/07/Pressemappenzettel-fuer-Journalist-innen_Version-II.pdf]

Hasibullah Ahmadzei verdeutlichte, wie er Deutsch lernte, begann zu arbeiten, alles tat, was unter dem Label "Integration" läuft und dann ein erfolgreiches Härtefallverfahren durchlief - fast erfolgreich. Denn trotz einstimmigen Votums der Härtefallkommission, so berichtete er, lehnte Innenminister Roland Wöller seinen Fall ab. Heute leitet er ein Modegeschäft auf der Prager Straße in Dresden, aber fürchtet immer noch die Abschiebung. Lediglich ein erfolgreicher Eilantrag schützt ihn derzeit.

Wöllers Vorgehen in diesem Fall spiegelt sich auch bei seinen Ausländerbehörden wider. Deren Vorgehen illustrierte Jörg Eichler vom Sächsischen Flüchtlingsrat. Exemplarisch am Fall der Familie Imerlishvili zeigte er, wie die Ausländerbehörde Pirna und die Zentrale Ausländerbehörde Sachsens die Familie und die Rechtsanwältin getäuscht hatten. Nach neun Jahren Aufenthalt in Deutschland, fünf Kinder hier geboren, wird Familie Imerlishvili abgeschoben. Auch ein eiliges Votum der Härtefallkommission hindert den Flieger nicht mehr am Abheben.

Familie Imerlishvili indes ist in Georgien. Im Wartebereich. Tochter Lika verdeutlichte in der Pressekonferenz, dass sie Georgien nicht kennt, die Sprache nicht spricht. Dass sie nicht wieder in die erste Klasse gehen möchte. Ihre Eltern Ilona und Ilia gaben dem "So Nicht Bestellt - Podcast - dem kritischen Podcast über Abschiebungen" ein Interview und schildern dort ausführlich ihre Perspektive zum Nachhören. Auf dem Podcast-Blog [https://so-nicht-bestellt.podigee.io/], Spotify [https://open.spotify.com/episode/0KZSc5ns39jpDT4ggcocd8?si=b0f65d4c22ca446f] und allen anderen Podcast-Apps. Die Chance, sie zurückzuholen besteht. Die Ausländerbehörde Pirna kann einen Antrag auf Erlaubnis, die Bundesrepublik zu betreten, um das einmal begonnene Härtefallverfahren durchführen zu können, zustimmen. Die Entscheidung steht aus.


Für eine grenzenlose Welt.

Wir verabschieden uns in den Sommer und wünschen euch eine tolle Zeit.

Schaut mal bei den Protesten gegen die kommende Abschiebung nach Afghanistan am 10. August vorbei. Auch wenn Abschiebungen ein schweres Thema sind und so wichtig es ist, informiert und aktiv dagegen zu bleiben, so hat dennoch die Leichtigkeit ja auch ihren Sinn.

Mit der Fluchthilfe als einem Fünkchen Hoffnung und dem Aufruf nach Bandenbildung haben wir begonnen, mit ein wenig Hoffnung wollen wir schließen mit dieser Hörempfehlung, einem Interview des "So-Nicht-Bestellt"-Podcasts mit Jule. "Diese empathische und bestimmte Linie" - Gespräch mit Jule Nagel über das Wie einer grenzenlosen Welt"

[https://open.spotify.com/episode/1V8QkY9Zk1HiR5cXtiQZNz?si=DpfrCOWsTBSBGXOkDpKBcA&dl_branch=1]

Wir nehmen gern Feedback zum Newsletter und Anregungen zu unserer asyl- und migrationspolitischen Arbeit in Empfang! Bleiben Sie/ bleibt solidarisch!

linXXnet - Brandstraße 15 - 04277 Leipzig - www.linxxnet.de

Abbestellen!
Newsletter bestellen!!
MOSAICO Responsive Email Designer